Aufbau Wärmedämm-Verbundsystem WDVS
Die richtige Planung von WDVS: Diffusionsoffenheit, Materialien und Anstriche
Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) sind eine beliebte Methode zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden. Allerdings erfordert der richtige Aufbau eines WDVS eine sorgfältige Planung, insbesondere im Hinblick auf die Diffusionsoffenheit der Materialien. Die Dampfdurchlässigkeit von Materialien wird durch den sogenannten μ-Wert(Dampfdiffusionswiderstandszahl) beschrieben, der angibt, wie stark ein Material den Durchgang von Wasserdampf hemmt. Ein niedriger μ-Wert zeigt eine hohe Diffusionsoffenheit an, während ein hoher Wert auf eine geringe Dampfdurchlässigkeit hinweist.
Ein diffusionsoffener Aufbau eines WDVS ermöglicht den ungehinderten Feuchtigkeitsabtransport von innen nach außen. Dazu sollten die Materialien so gewählt werden, dass der μ-Wert von innen nach außen abnimmt. Dies minimiert das Risiko von Feuchtigkeitsstau, Schimmelbildung und Frostschäden. Typische μ-Werte der gängigen Materialien im WDVS-Aufbau sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Kategorie | Material | μ-Wert |
Wandaufbau | Kalksandstein | 10–20 |
Porenbeton | 5–10 | |
Hochlochziegel | 5–15 | |
Vollziegel | 10–30 | |
Dämmmaterialien | Mineralwolle | ca. 1 |
EPS-Dämmung (Styropor) | 20–100 | |
Holzfaserplatten | 5–10 | |
Polyurethan (PUR) | 30–100 | |
Vakuumdämmplatten | >100 | |
Putz | Mineralischer Putz | 10–25 |
Silikatputz | 10–15 | |
Silikonharzputz | 20–50 | |
Kunstharzputz | 50–100 | |
Farben/Beschichtungen | Silikatfarbe | 10–20 |
Silikonharzfarbe | ca. 50 | |
Kunstharzfarbe | 100–200 |
Ein Beispiel für einen optimalen Aufbau ist eine Innenputzschicht aus Kalkputz mit einem mittleren μ-Wert von etwa 10 bis 15, eine Tragwand aus Kalksandstein (μ = 10 bis 20), eine Dämmung aus Mineralwolle (μ ≈ 1) und ein außen liegender mineralischer Putz (μ = 10 bis 25). So bleibt der Feuchtigkeitstransport von innen nach außen gewährleistet.
Ein Aufbau, bei dem die Dampfdichtigkeit von innen nach außen zunimmt, z. B. mit Kalksandstein (μ = 10 bis 20), EPS-Dämmung (μ = 50 bis 100) und Kunstharzputz (μ = 100), kann dagegen problematisch sein. Der Dampfdurchgang wird behindert, was zur Kondensation im Wandaufbau und langfristig zu Feuchtigkeitsschäden wie Schimmelbildung oder Frostschäden führen kann. Zur Vermeidung solcher Probleme sollte der gesamte Aufbau in Bezug auf den sd-Wert(„äquivalente Luftschichtdicke“) betrachtet werden. Der sd-Wert ergibt sich aus dem Produkt von μ-Wert und Materialdicke (in Metern) und sollte nach außen hin kleiner werden.
Berechnung der Durchgangswerte (sd-Wert)
Wie die Luftschicht als Referenz dient: Der sd-Wert erklärt
Die Luftschicht dient als Referenz für die Bewertung der Dampfdiffusionseigenschaften von Materialien, da sie eine nahezu ideale Diffusionsfähigkeit aufweist. Der μ-Wert beschreibt, wie viel schwerer es Wasserdampf fällt, durch ein Material zu diffundieren, verglichen mit der gleichen Dicke von Luft. Luft hat definitionsgemäß einen μ-Wert von 1, da sie den Wasserdampf nahezu ungehindert passieren lässt.
Der sd-Wert („äquivalente Luftschichtdicke“) ermöglicht den direkten Vergleich eines Materials mit der Luft. Er wird berechnet als:
sd = μ x d
Parameter:
- sd: Äquivalente Luftschichtdicke (in Metern, m) – beschreibt den Widerstand gegen den Dampfdurchgang.
- μ: Dampfdiffusionswiderstandszahl – Materialkonstante, die den Widerstand im Vergleich zu einer Luftschicht gleicher Dicke angibt (dimensionslos).
- d: Dicke des Materials (in Metern, m).
Beispiel:
Für eine 20 cm dicke EPS-Dämmung (μ = 50) ergibt sich der sd-Wert wie folgt:
sd = μ x d = 50 x 0,2 = 10m
Das bedeutet, dass diese EPS-Dämmung denselben Dampfdurchgangswiderstand hat wie eine 10 Meter dicke Luftschicht. Anders ausgedrückt, der Wasserdampf benötigt denselben „Aufwand“, um durch die Dämmung zu gelangen, wie durch eine Luftschicht dieser Dicke.
Warum ist das wichtig?
Der sd-Wert ist entscheidend, um den gesamten Dampfdiffusionswiderstand eines Wandaufbaus zu bewerten. Ein zu hoher sd-Wert in den äußeren Schichten kann den Feuchtigkeitstransport behindern und zu Kondensationsproblemen führen. Der sd-Wert hilft dabei, Materialien so zu kombinieren, dass ein diffusionsoffener Aufbau entsteht.
Kombinierte Schichten:
Wenn mehrere Materialien aufeinanderfolgen, addieren sich die einzelnen sd-Werte zu einem gesamt sd-Wert:
sdgesamt = sd1 + sd2 + sd3+ …
Dieser Wert ist entscheidend, um die Diffusionsfähigkeit des gesamten Wandaufbaus zu beurteilen.
Auch der Anstrich beeinflusst die Diffusionsoffenheit eines WDVS erheblich. Ein dampfdichter Anstrich kann die positiven Eigenschaften eines diffusionsoffenen Putzes zunichtemachen. Geeignete Anstriche sind beispielsweise Silikatfarben mit einem μ-Wert von 10 bis 20 oder Silikonharzfarben, die eine gute Balance zwischen Diffusionsoffenheit und Wasserabweisung bieten (μ-Wert etwa 50). Kunstharzfarben hingegen haben einen hohen μ-Wert von 100 bis 200 und sind daher nur bei dampfdichten Systemen wie solchen mit EPS geeignet.
Der Anstrich sollte den Dampfdurchgang nicht behindern, diffusionsoffen sein und gleichzeitig Schutz vor Schlagregen bieten. Besonders in feuchten Regionen kann ein Biozid ausgerüsteter Anstrich sinnvoll sein, um Algen- und Pilzbefall vorzubeugen.
Ein WDVS muss insgesamt sorgfältig geplant werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Der diffusionsoffene Aufbau von innen nach außen ist entscheidend, um Feuchtigkeitsprobleme zu vermeiden. Der Bezug zur Luft als Referenz vereinfacht die Bewertung unterschiedlicher Baustoffe, für die Auswahl der Dämmung, des Putzes und des Anstrichs. Ein diffusionsoffener Aufbau erfordert Materialien mit niedrigen μ-Werten in den äußeren Schichten, während der Anstrich die Feuchtigkeitsregulierung nicht behindern darf. Das gewährleistet eine optimale Feuchtigkeitsregulierung und verhindert Bauschäden.
Anhang: Wichtige Normen und Quellen
- DIN 4108-2: Anforderungen an den Wärmeschutz und Feuchteschutz von Bauteilen.
- DIN 4108-3: Feuchteschutz, inkl. Regeln zur Vermeidung von Tauwasserbildung.
- ETAG 004: Europäische Richtlinie für WDVS, die Materialeigenschaften und Verarbeitung regelt.
- EnEV (jetzt GEG): Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden, die auch WDVS betreffen.
Karsten Abel 2-2025-4